Klimaproteste Geld für den Aufstand - Aktivisten der "Letzten Generation" beziehen Gehälter

Stand: 03.01.2023 17:14 Uhr | Lesedauer: 6 Minuten

Von

Alexander Dinger,

Lennart Pfahler

Ein Berliner Verein überweist Klima-Aktivisten der "Letzten Generation" Gehälter. In Rekrutierungsseminaren berichten die Organisatoren, sie hätten "sehr viel" Geld. WELT AM SONNTAG konnte interne Chat-Nachrichten und Unterlagen der "Letzten Generation" einsehen und an Online-Seminaren teilnehmen.

Zwei Beamte der Bundespolizei und ein Sicherheitsmitarbeiter stoppen einen Aktivisten am Berliner BER-Flughafen
Quelle: picture alliance/dpa

Die Filmstudios in Berlin-Tempelhof gelten als Wiege des deutschen Kinos. Zahlreiche Produktionsfirmen haben hier ihr Zuhause. Doch das weitläufige Areal ist nicht nur ein Epizentrum der Filmwirtschaft, sondern auch so etwas wie die Zentrale des deutschen Klimaaktivismus.

Mehrere für die Klimabewegung wichtige Vereine haben hier ihren Sitz. Darunter Fridays for Future.

Der derzeit vielleicht bedeutendste Verein kommt allerdings eher unscheinbar daher und dürfte einer breiten Öffentlichkeit nicht bekannt sein. Lediglich ein kleines Hinweisschild auf einem Briefkasten deutet auf seine Existenz.

Dieser Verein heißt "Wandelbündnis". Er war offenbar wesentlich am rasanten Aufstieg der radikalen Klimagruppe "Die Letzte Generation" beteiligt. Denn das "Wandelbündnis" stellt seit einigen Monaten Arbeitsverträge für die Aktivisten aus - und ermöglicht ihnen so, mit den Protestaktionen ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.

WELT AM SONNTAG konnte interne Chat-Nachrichten und Unterlagen der "Letzten Generation" einsehen und hat an Online-Seminaren teilgenommen. Daraus ergibt sich das Bild einer straff organisierten Bewegung, die beständig neue Unterstützer gewinnt. Es sind Menschen, die teilweise bereit sind, ihren Job aufzugeben, um sich ganz der Arbeit für den Klimaschutz zu widmen.

Die "Letzte Generation" wiederum sichert diesen Vollzeitaktivisten in Zusammenarbeit mit dem "Wandelbündnis" ein Einkommen und eine sozialversicherungspflichtige Anstellung zu. Wie das funktioniert, erfährt, wer an einem entsprechenden Online-Seminar teilnimmt. Mehrere dieser Treffen fanden im Dezember statt.

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An einem Montag gegen 21 Uhr begrüßt der 21-jährige Kasseler Carl die zugeschalteten Interessenten. Er gehört zu einer Arbeitsgruppe, die sich "Jobcenter der Letzten Generation" nennt. Carl sagt: "Wir haben zum Glück dieses Geld zur Verfügung und können Menschen bezahlen, und wir haben die Möglichkeit, die Menschen auch anzustellen." Das gehe auch sozialversicherungspflichtig. Denkbar seien Anstellungen in Vollzeit, Teilzeit, aber auch als Selbstständige und Minijobber. "Das ermöglichen wir, damit es vielen Menschen möglich ist, da ihre Zeit reinzugeben", sagt er.

Momentan könne die "Letzte Generation" ein Gehalt von bis zu 1300 Euro im Monat zahlen. Die Höhe richte sich danach, wie viel ein Aktivist zum Leben benötige. Das Konstrukt funktioniere so: Das Geld komme von Spenden, die die "Letzte Generation" erhalte. Das "Wandelbündnis" gebe den rechtlichen Rahmen und stelle die Verträge aus. "Die haben sonst gar nichts damit zu tun", erklärt Seminarleiter Carl.

Geld kommt unter anderem aus den USA

Fragt man beim "Wandelbündnis" nach, stellt sich die Sache plötzlich anders dar. Man habe kein Geld von der "Letzten Generation" erhalten, teilt Vorstandsmitglied Miguel San Miguel mit. Innerhalb des "Wandelbündnisses" gebe es aber die Initiative "Gemeinnützige Bildungsarbeit zur Unterstützung von Letzte Generation". Insgesamt beschäftige man "30 bezahlte Kräfte".

Mit diesem Text lud die "Letzte Generation" in einer Messenger-Gruppe Interessenten zu einem Online-Seminar ein
Quelle: Screenshot / WELT

Unter denen, die sich für eine Anstellung interessieren, sind Menschen wie Momo, 20, aus Bayern, der im Online-Seminar von sich sagt, dass er seit seinem 16. Lebensjahr in der "Klimagerechtigkeitsbewegung" aktiv sei. Ein Freund von ihm sei schon Vollzeit dabei, das sei nun auch für ihn eine Option. Oder Lars, 40, aus Flensburg. Er sagt, dass er seit drei Wochen dabei sei und davon ausgehe, dass er seinen bisherigen Beruf nicht weiterführen werde. Er könne sich aber gut vorstellen, über Vollzeitaktivismus den Lebensunterhalt für sich und seine Tochter zu finanzieren.

Dorle, 52, aus Lippstadt berichtet, dass sie vor einem Monat in die "Arbeitsgruppe Unterkunft" hineingestolpert sei. "Ich bin neugierig und sauge nun alles auf", sagt sie. Für andere wiederum dient der Aktivismus offenbar auch der Aufhübschung des Lebenslaufs. Das zeigen Profile auf der Karriereplattform Xing. Dort gibt etwa eine Kommunikationsdesignerin aus Berlin an, dass sie sich seit drei Monaten im zivilen Widerstand befinde - und nun in Vollzeit Klimaaktivismus betreibe.

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Einen Großteil ihrer Einnahmen, mit denen die Aktivisten bezahlt werden, erzielt die "Letzte Generation" laut eigenen Angaben durch Spenden vom Climate Emergency Fund. Die kalifornische Stiftung will "disruptiven Aktivismus" unterstützen. Das Stiftungsvermögen stammt von Philanthropen wie Aileen Getty, Enkelin des Erdöl-Tycoons Jean Paul Getty, und dem Filmregisseur Adam McKay. "Wir beziehen sehr viel Geld aus dem Fonds", sagt Seminarleiter Carl.

Die Praxis, Aktivisten für ihre Straßenblockaden zu bezahlen, spricht für einen zunehmenden Grad der Professionalisierung. Die straffe Organisation der "Letzten Generation" ist auch in internen Dokumenten festgehalten. Dort ist die Rede von einer "funktionalen Hierarchie", in der es eine "kleine Gruppe mit Entscheidungsmandat" gebe. Das Motto der Zusammenarbeit laute "viel Input, wenig Demokratie", heißt es an anderer Stelle. Eine schnelle und effektive Entscheidungsfindung könne nicht im großen Plenum erfolgen. Laut internen Organigrammen besteht das Kernteam aus sechs Aktivisten, sieben weitere Aktivisten sind als Bindeglied zu den vielen AGs im Einsatz.

CDU-Mann fordert Prüfung von Vereinsverbot

In Hunderten Fällen haben Aktivisten der "Letzten Generation" sich in diesem Jahr auf Straßen geklebt. Allein in Berlin 276 Mal. Polizisten und Strafverfolger fordern härtere Strafen für die Demonstranten. Denn zuletzt wurden die Aktionen radikaler: Anfang November beschmierten Aktivisten die Parteizentralen der SPD, der Grünen und der FDP. Ende November gelangten Aktivisten am Hauptstadtflughafen BER auf ein Rollfeld und legten so den Flugverkehr lahm.

Doch aus internen Chat-Nachrichten geht hervor, dass inzwischen auch direkte Angriffe auf Politiker zumindest diskutiert werden. So schlug ein Aktivist unter anderem vor, in Sprechstunden von Abgeordneten zu gehen und sich an diesen festzukleben. In anderen Nachrichten werden Politiker - vermeintlich satirisch - mit Terroristen gleichgesetzt. Und im Protokoll eines Treffens der AG "Priviliegencheck und Awareness" haben die Teilnehmer als Ziel festgehalten: "Wir versuchen das Spektrum des Aktivismus zu erweitern! Nicht Linksextrem werden! (also in der Außenwirkung - intern gerne;))"

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Laut der Berliner Innensenatorin Iris Spranger (SPD) umfasst der "harte Kern" der Gruppe in Berlin ungefähr 500 Personen, von denen etwa die Hälfte mehrfach polizeilich in Erscheinung getreten sei. "Es geht hier also um einen umfassend organisierten Zusammenschluss von Personen, die Straftaten begehen, um ihre politischen Ziele durchzusetzen", sagt Spranger. Den Organisationsgrad bemesse man als umfangreich. "Und das beziehe ich nicht nur auf die Koordination der Straßenblockaden, sondern auch die Planung und Logistik dahinter - von Spendensammlung über ‚Gehälter' bis zur Übernahme von Bußgeldern und Geldstrafen", so Spranger. Die Grenze zum "Extremismus" sei noch nicht überschritten, es handele sich aber um politisch motivierte Straftaten.

Der CDU-Politiker Philipp Amthor sieht die Verantwortung bei Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). "Statt ablenkender Verweise auf die Justiz könnte die SPD-Innenministerin selbst gegen diese Eskalationsspirale tätig werden, indem sie ein Vereinsverbot gegen die sogenannte ,Letzte Generation' prüft und auf den Weg bringt", sagte er. Dadurch könnte nach Einschätzung Amthors sowohl die Werbung für kriminelle Aktivitäten als auch deren Inszenierung im Internet unterbunden werden. "Und auch die Finanzierung dieser Gruppe und ihrer Helfershelfer", sagt Amthor, "könnte man dadurch austrocknen."


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